Balsam für die Seele – Wandern im Ruppiner Land (1/3)

Die Bank an der Badestelle Karwe ist zu verlockend, um sie links liegen zu lassen: ein Logenplatz am Ufer. Zwingend wäre die Rast hier nicht, vom Bahnhof Wustrau-Radensleben sind wir noch keine vier Kilometer über die Ortsstraße gewandert. Aber in diesem März 2022 ‒ der Krieg in der Ukraine ist gerade zwei Wochen alt ‒ kommt uns jede Gelegenheit recht, das Gedankenkarussell für einen Moment anzuhalten. Warum nicht hier.

Unbeeindruckt vom Weltgeschehen, über das wir uns seit Tagen die Haare raufen, liegt der Ruppiner See zu unseren Füßen, glasklar, eingebettet in das wellige, noch winterfarbene Ruppiner Land. Wäre er nicht so kalt, wir würden sofort hineinspringen. Wie trunken vor Glück windet er sich über 14 Kilometer von Altfriesack bis Alt-Ruppin und ist damit der längste See in Brandenburg ‒ so schlank, dass das andere Ufer von hier aus fast in Spuckweite liegt.

Gutshof Karwe am Ruppiner See

Hinter uns säumt ein renoviertes Ziegelstein-Ensemble einen kopfsteingepflasterten Hof, Überbleibsel des ehemaligen Herrenhauses derer von Knesebeck, das in den frühen 1980er-Jahren abgerissen wurde. Eiskeller, Pferdestall und Verwalterhaus sind heute Wohnhäuser und Feriendomizile.

Nördlich der Badestelle am Ufer beginnt der Gutspark Karwe. Vom „dichten Schilfgürtel“, breit wie ein „Wasserwald“, wie ihn Fontane in seinen Wanderungen beschrieb, sind zwar nur noch Relikte vorhanden, aber der Uferweg unter Schwarzerlen, Buchen und Stileichen durch die Parkanlage ist immer noch verwunschen. Ein Hauch von Bärlauch liegt in der Luft, Buschwindröschen kämpfen sich ans Licht, zwischen Totholz und trockenem Röhricht sprießen die ersten grünen Halme.

Um den kleinen Ort Seehof müssen wir eine Schleife drehen, kehren aber wenig später hinter dem Hafen zurück zum Wasser. Vorbei am Jugenddorf Gnewikow halten wir uns eng am wilden Ostufer des Ruppiner Sees. Erst in Wuthenow schwenken wir wieder nach Osten, um die Lanke, eine schmale Bucht, die wie ein Dorn in die Landschaft ragt, zu umwandern und eine Pause an der Badestelle einzulegen, bevor wir der schlichten Schinkelkirche an der Dorfstraße einen Besuch abstatten.  

Auf dem Weg in die Fontane-Stadt

Bis Neuruppin liegen noch etwas mehr als vier Kilometer vor uns. Die beiden hoch aufragenden Türme der Klosterkirche Sankt Trinitatis sind schon eine Weile in der Ferne zu sehen. Je näher wir der Stadt kommen, desto quirliger wird die Atmosphäre: Der Uferweg füllt sich mit Anwohnern, die ihre Hunde Gassi führen, ein paar Jugendliche lassen auf einem Steg die Beine baumeln und einen Joint kreisen, auf dem Seedamm rauscht der Verkehr.

Verschlusssache Liebe

Im Kirchhof von St. Trinitatis wirft die Abendsonne lange Schatten. Der seltsame Brauch, ausgerechnet rostige Vorhängeschlösser als Symbol der Liebe an Brücken und Geländer anzubringen, hat sich auch in Neuruppin herumgesprochen. Die „Liebesbäume” neben der ziegelroten Stadtmauer ächzen fast unter ihrem Gewicht. Gleich daneben steht die über 700 Jahre alte „Wichmannlinde” – zu dieser Jahreszeit nur ein bizarres Baumskelett

Der allgegenwärtige Dichter

Zum Abschluss schlendern wir im Sonnenuntergang durch die beschauliche Fontanestadt, vorbei an der Löwen-Apotheke, Geburtsort und Haus der Kinderjahre des allgegenwärtigen Dichters, hinunter zur Seepromenade, wo der “Parzival am See”, eine 17 Meter hohe Stahlskulptur des Künstlers Zágon Hohl-Stein, in den Himmel ragt, in einem weiten Bogen zurück über den Bernhard-Brasch-Platz und vorbei an der Kulturkirche St. Marien zum Bahnhof Neuruppin.

Dies ist der erste Teil einer Artikelserie über Wandern im Ruppiner Land. Im September 2021 sind wir bereits die Fortführung von Neuruppin über Boltenmühle (2. Etappe) nach Rheinsberg (3. Etappe) gewandert. Alle drei Abschnitte können einzeln oder kombiniert gewandert werden.

Hin und weg: Mit der Regionalbahn RE 4 & RE 6 nach Wustrau-Radensleben, Umstieg in Spandau (ca. 1:20 Stunde), zurück ab Neuruppin mit derselben Verbindung ab Rheinsberger Tor.  

Strecke: Von Wustrau-Radensleben nach Neuruppin sind es rund 16 Kilometer, überwiegend auf Ufer- und Waldwegen, einige Abschnitte über Straßen.

Alle drei Etappen auf Google Maps.

Variante und Kombination: Oft wird diese Etappe ab Wustrau beschrieben, die Zietenstadt mit ihrem Schloss ist sehenswert, allerdings nur per Bus (777) ab Neuruppin, Rheinsberger Tor, zu erreichen. Eine Verlängerung der Wanderung bis Boltenmühle oder Rheinsberg bietet sich an.

Bonustipp: Wen kein schlechtes Gewissen wegen der Energieverschwendung plagt, kann sich einen genussvollen Tag in der Fontane Therme an der Seepromenade 21 in Neuruppin gönnen.

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