Höher, schneller, weiter: Zwischen Dahme und Müggelsee

Wenn die letzten Blätter von den Bäumen segeln und die Natur in den Wartemodus geht, ist das Sofa die gemütlichere Alternative. Wer sich zwischen Keks und Stolle trotzdem nach ein bisschen Auslauf sehnt, findet entlang der Dahme eine Strecke, die mehr zu bieten hat als kahle Äste und matschiges Laub. Mein Herbstspaziergang um die Müggelberge lockt mit Olympiaflair und Panoramablick.

Uferweg am Langen See

An diesem grauen Dezembertag wirken selbst die Fassaden der prächtigen Gründerzeitvillen in Wendenschloss abweisend. Keine Regung hinter den Gardinen. Die Boote im Yachtclub sind mit dicken Planen winterfest gemacht. Auf der Wiese am Dahme-Ufer habe Wildschweine ihre Rüssel durch die Erde gewühlt – ein Zeichen, dass der Waldrand nicht weit ist. Im Sommer strömen hier Ausflügler in Scharen zum nahen Strandbad Wendenschloss, einer beliebten Badestelle mit originalem Ostcharme.  Heute sind nur ein paar Rentnerpärchen in Wellensteyn-Jacken unterwegs.

WendenschlossLanger See

Der Pfad führt dicht am Ufer der Dahme entlang, die hier so breit ist, dass man sie Langer See getauft hat. Am gegenüberliegenden Ufer ragen die menschenleeren Tribünen der Regattastrecke Berlin-Grünau auf. Im Sommer 1936 kämpften hier Ruderer und Kanuten aus aller Welt um olympische Medaillen. Weiße Bojen, aufgereiht wie an Perlenketten, schaukeln auf dem See und markieren die Bahnen. Auch heute werden hier noch Wettkämpfe ausgetragen.

Tote Tiere hinter Glas

Ein paarhundert Meter weiter liegt der Schmetterlingshorst. Der Name ist kein Zufall, die ehemalige Gaststätte beherbergt seit ihrer Eröffnung Ende des 19. Jahrhunderts die größte Schmetterlingssammlung Deutschlands. Freunde von toten Tieren hinter Glas kommen hier auf ihre Kosten: über 4.000 Exemplare exotischer und einheimischer Arten kleben in den Schaukästen.

Schmetterlingshorst
Im Wanderstützpunkt Schmetterlingshorst gibt es auch einen kleinen Imbiss. Foto: Kleine Fluchten Berlin

Vom romantischen Ausflugslokal Marienlust, knapp einen Kilometer weiter östlich, sind leider nur noch die Fundamente erhalten, 1997 zerstörte ein Brand das Berliner Traditionslokal. Die frühere Terrasse am Ufer ist noch immer ein begnadeter Rastplatz, an dem man Schwäne beobachten und den Schubkänen nachträumen kann.

Müggelturm: Panorama des Ostens

Wir schlagen den Waldweg Richtung Norden* ein und wandern auf die Müggelberge zu. Eine steile Treppe, die im Winter zwar mit einer Kette gesperrt, aber trotzdem begehbar ist, führt direkt zum Müggelturm, den man schon durch die Bäume blinzeln sehen kann. Zu Ostzeiten war das rund 30 Meter hohe Gebäude ein beliebtes Ausflugsziel. 1960/61 im Stil des sozialistischen Klassizismus gebaut, ersetzte er seinen historischen Vorläufer, einen Aussichtsturm im Pagodenstil, nachdem dieser 1958 ausbrannt war.

Müggelturm

Nach dem Mauerfall erlebte das Gelände, zu dem auch ein Restaurant gehört, eine typische Berliner Investorengeschichte: Einer ging, der nächste kam, es wurden große Pläne geschmiedet, nichts geschah, der Turm verfiel. Bis 2014 der dritte Eigentümer endlich mit Sanierungsarbeiten begann. Seitdem ist der Ort eine Baustelle. Immerhin ist die Gastronomie Müggelbaude wieder in Betrieb und der Turm wird täglich geöffnet. Über 126 Stufen gelangt man zur Plattform an der Spitze.

Panorama vom Müggelturm
Der Blick vom 30 Meter hohen Müggelturm in Richtung Norden auf den Müggelsee. Foto: Kleine Fluchten Berlin

Die Meinungen über die Schönheit des Ausblicks gehen auseinander, unbestritten ist: die Sicht reicht weit, an klaren Tagen sogar bis zu 60 Kilometer, wenn man dem Betreiber glaubt. Müggelsee und Fernsehturm, der Kalksteinbruch in Rüdersdorf und der Flughafen in Schönefeld sind auch bei trüber Suppe gut zu sehen. Von der Gaststätte am Müggelturm führt eine weitere Treppe hinunter zum Teufelssee. Im Sommer lohnt sich hier ein Abstecher durchs Teufelsmoor rund um den See und auf dem Naturlehrpfad. Bis zum Müggelheimer Damm ist es nur noch ein kurzes Stück.

 

Hin und weg: Mit der Tram 62, Endhaltestellt Wendenschloss oder mit S8/9/45/46/85 Grünau, kurzer Fußweg zur Dahme und BVG-Fähre nach Wendenschloss (besonders im Sommer schön), zurück mit dem Bus X69 am Müggelheimer Damm, Haltestelle Rübezahl nach Köpenick, von dort mit der S3 oder der Tram 21.

Strecke: Der Spaziergang ist gut 4,5 Kilometer lang, mit Pausen, Picknick und dem Aufstieg auf den Müggelturm sollte man aber mindestens zwei Stunden einplanen. Strecke auf Google Maps.

Bonustipp: Am Müggelturm gibt es die einzige offizielle Downhill-Strecke Berlins, von April bis November kann man hier jeden Samstag und Sonntag eine 800 Meter lange Strecke abwärts brettern. Achtung: nur mit Schutzkleidung und Helm erlaubt.

*Bonus-Bonustipp: Im Sommer lohnt sich, die Strecke Richtung Süden auszudehnen. Dazu folgt ihr ab Marienlust einfach dem Uferweg in Richtung Süden und wandert in einem großen Bogen über Krampenburg an der Dahme bis nach Müggelheim und nehmt dort den Bus (X69) . Die Strecke ist dann insgesamt gut 10 Kilometer lang.

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